Die Malteser (60 000 Ehrenamtliche) schlagen Zivilschutz-Alarm: Sie sehen „sehr große Defizite“ im Konfliktfall – und fordern von der Politik, dass der Katastrophenschutz wie die Bundeswehr „kriegstauglich“ werden muss.
Nach Worten von Martin Schelleis (64), Ex-Generalleutnant der Luftwaffe und neuer Malteser-Bundesbeauftragter für Krisen-Resilienz (Anpassungsfähigkeit), habe Deutschland in Anbetracht der Bedrohungslage „keine Zeit mehr zu verlieren“.
Als realistische Szenarien sieht er entweder einen Nato-Bündnisfall, also beispielsweise einen militärischen Konflikt Russlands mit einem Nato-Nachbarn wie Litauen oder Finnland. Oder einen großen Krisenfall in Deutschland selbst – etwa durch hybride Kriegsführung und Sabotage. In beiden Fällen könnten plötzlich viele Menschen gleichzeitig Schutz und Betreuung benötigen. Doch die Infrastruktur dafür fehlt.
Noch fehlt politische Einsicht
Die schlechte Nachricht: Auf einer Skala von 1 bis 10 stehe Deutschlands Zivilschutz bei der Vorbereitung für den Konfliktfall „höchstens bei 4“, sagt Schelleis.
Problem: Anders als die Bundeswehr habe der nationale Zivilschutz kein Sondervermögen, sei chronisch unterfinanziert, weil er in Friedenszeiten Länder- und Landkreis-Sache ist.
Aus Sicht der Malteser müsste er ab sofort fester Bestandteil im Bundeshaushalt werden. Der Bedarf? „Wir reden von Milliarden“, sagt Malteser-Vorstand Frank Weber (52) im BILD-Gespräch. Die Mittel müssten „durch Umschichtung“ gefunden werden.
Pilotprojekt mit zwei Notstädten
Die gute Nachricht: Der Bund muss nicht bei null starten. Sowohl personell als auch technisch seien die Grundlagen vorhanden. Deutschland verfüge allein über 1,7 Millionen Ehrenamtliche im Bevölkerungsschutz (überwiegend Feuerwehr).
Ein Schlüsselelement in den Notfall-Plänen laut Weber: „Mobile Betreuungsmodule“, die es Hilfsorganisationen ermöglichen, innerhalb kürzester Zeit Notstädte aus dem Boden zu stampfen, mit unabhängiger Strom-, Wasser- und medizinischer Versorgung. Bereitstehen müssen dafür u.a. Groß-Zelte und Küchen.
Ausgerichtet sind diese Modul-Städte („MBM 5000“) auf jeweils 5000 Menschen. Zehn sind in einer ersten Phase geplant, zwei davon hat der Bund bereits „anfinanziert“ (30 Millionen Euro pro Modul), u.a. das Deutsche Rote Kreuz ist an dem Pilotprojekt beteiligt. Auch die Malteser würden gern loslegen – hängen aber in der Warteschleife.
Corona offenbarte Behörden-Chaos
Was dem Katastrophenschutz grundsätzlich fehlt? Es müssten „klare Strukturen für nationale Notlagen geschaffen werden“, fordert Schelleis. „Mit Federführung im Bundesinnenministerium, aber auch mit Stäben auf Landes- und Landkreisebene – mit klaren Verantwortlichkeiten, Ansprechpartnern und vorab definierten Aufgabenbereichen für die Hilfsorganisationen“.
Die Corona-Pandemie habe schonungslos offengelegt, was bei der Koordination schiefläuft.
Brisante Dienstpflicht-Forderung
Brisant ist für die Malteser eine Forderung an die Bundesregierung. Schelleis zu BILD: „Wir müssen neu über die Dienstpflicht reden – auch für Frauen.“
Denn: Die Personaldecke an Haupt- und Ehrenamtlichen reiche im Notfall (etwa für den personellen Betrieb der neuen Notstädte) nicht aus. „Alten-, Pflegeheime und so weiter müssen ja auch in der Krise funktionieren können.“
Sollte es zu einer Wiedereinsetzung der (aktuell ausgesetzten) Wehrpflicht für Männer kommen, müsse beim Ersatzdienst dringend „ein starker Akzent auf Bevölkerungsschutz gelegt werden“, fordert Malteser-Vorstand Weber.