Uniqa-Boss warnt: – „Dann geht der Wohlstand den Bach hinunter“



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Uniqa-Generaldirektor Andreas Brandstetter richtet einen dramatischen Appell an die Politik, die Folgen des Klimawandels ernst zu nehmen und ökonomisch zu begegnen. Er fordert massive Reformen ein.

„Krone“: Sie sind mit einem Häuschen im Kamptal selbst Betroffener des Hochwassers. Kann man eine Gesellschaft, ein Land vor Naturkatastrophen versichern?Andreas Brandstetter: Man kann es. Bestimmte Länder zeigen uns das vor: Belgien, Frankreich und die Schweiz. Das Modell, das wir den Politikern in Österreich vor Längerem vorgelegt haben, ist das belgische Modell: Für einige Euro im Monat – ungefähr zehn – werden alle Menschen in Österreich, die eine Haushaltsversicherung haben, gegen Unwetter jeglicher Art, Katastrophen im Sommer oder Winter, versichert. Es wird dabei 100 Prozent des Neuwerts versichert und nicht wie beim Katastrophenfonds mit 20 Prozent des Zeitwertes.Ist das für Sie dann ein gutes Geschäft?Das ist kein Geschäft für die Versicherungen. Wenn man es über die lange Periode sieht und Naturkatastrophen öfter passieren werden, werden Versicherungen damit nicht reich.Warum soll ich versichert sein, wenn ich nicht Gefahr laufe, durch ein Hochwasser betroffen zu sein, wenn ich etwa im 3. Bezirk im 5. Stock wohne.Weil irgendwann auch der 3. Bezirk in Wien von Naturkatastrophen heimgesucht werden wird. Ganz Österreich wird im Laufe der nächsten Jahre und Jahrzehnte stärker von Naturkatastrophen betroffen sein. Es könnten andere Folgen des Klimawandels sein, etwa durch die massiv zunehmende Hitze. Wir weisen seit vielen, vielen Jahren Regierungen und Politiker auf das hin, was nun in Österreich passiert: Die Folgen des Klimawandels sind da. Für uns kommt das nicht überraschend.Unwetter- und Hochwasserkatastrophen hat es immer gegeben. Nehmen diese in ihrer Häufigkeit und Stärke wirklich so dramatisch zu?Wir wissen, dass ein Grad Erwärmung sieben Prozent mehr Feuchtigkeit und damit dramatisch mehr Starkregen bedeutet. Österreich ist weltweit jenes Land, das am viertstärksten von Naturkatastrophen in Relation zum Bruttoinlandsprodukt betroffen ist.Warum?Weil wir aufgrund unserer Topografie derartig exponiert sind: als Binnenland mit einer sehr ungünstigen kontinentalen Lage. Wir müssen die notwendigen Maßnahmen treffen, um die Folgen des Klimawandels ökonomisch zu schaffen. Dass solche Schäden nicht versichert sind, ist undenkbar.Führt eine Susi-Sorglos-Versicherung nicht dazu, die Eigenverantwortungszügel beim Thema Hochwasser- und Unwetterschutz schleifen zu lassen?Prävention bliebt Bestandteil des Problems. Wie findet künftig Flächenwidmung statt? Kurt Weinberger von der Hagelversicherung weist immer zu Recht darauf hin, wie viele Flächen in Österreich zubetoniert werden. Wir müssen auch unsere Investitionsströme anders lenken. Wir sind als Versicherungsbranche der größte Investor in Europa, wir haben ungefähr elf Billionen Euro an Assets-Under-Management (verwaltetes Vermögen, Anm.) in ganz Europa, die wir verwalten. In Österreich sind es 100 Milliarden Euro. Diese Mittel wollen wir viel stärker Richtung grüne Assets investieren: Solar, Wind, Wasser. Nur wenn die Genehmigungsverfahren sieben, acht, neun Jahre dauern, bis so ein Kraftwerk steht, wird diese grüne Transformation nicht gelingen.Das klingt bereits als zentrale Forderung an die künftige Bundesregierung?Das ist ein Vorschlag, den wir mit aller Vehemenz entsprechend diskutieren.Woran ist es gescheitert? Eine grüne Infrastrukturministerin sollte einer solchen Argumentation nicht weit entfernt sein?Ich habe Respekt vor jeder Person, die sich auf Kommunalpolitik oder auf Landes- bzw. Bundesebene in der Politik derzeit engagiert. Das braucht eine hohe Resilienz und ein dickes Fell. Wir wollten uns als Wirtschaft verpflichten, in mehr grüne Assets zu investieren, damit die grüne Transformation forcieren und gleichzeitig die private Altersvorsorge stützen, indem wir da steuerliche Erleichterungen für die Kunden bekommen. Keine Chance.Das klingt verärgert?Was mich zornig macht, ist, dass immer erst etwas passieren muss, damit es entsprechende Konsequenzen gibt. Wir müssen ernsthaft fragen: Wann gehen wir die Reformen in diesem Land an. Das geht von Pensionsvorsorge, über Altern in Würde, Bildung bis hin zur Migration. Wir leben im schönen Haus Österreich, das im Laufe der Zeit etwas baufällig und brüchig geworden ist. Als reiferer Familienvater weiß ich, dass wir dringend Reparaturen angehen müssen.Bleiben Sie optimistisch?Wenn ich mir ansehe, wie die Prognosen für 2025 in Österreich, aber auch in Deutschland, sind, gibt es wenig Grund zu Optimismus – wenn wir so weitermachen. Es gilt gegenzusteuern. Unser Wohlstand geht den Bach hinunter, wenn wir nichts tun. Die Menschen vertragen die Wahrheit. Man muss es nur klipp und klar kommunizieren.

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