Mit 66 ist noch lange nicht Schluss: Was heißt heute alt?



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Zum Tag der älteren Menschen: Welche Herausforderungen, aber auch Chancen eine alternde Gesellschaft mit sich bringt.

Mit ausgestreckten Armen am Barren balancieren? Für Johanna Quaas ist das auch mit 98 Jahren kein Ding der Unmöglichkeit. Wettkämpfe hat die deutsche “Turn-Oma” erst vor wenigen Jahren aus ihrem Kalender gestrichen. Doch noch immer macht sie jeden Tag Gymnastik. Johanna stand schon vor rund zehn Jahren als älteste Turnerin der Welt im Guinness-Buch der Rekorde.

Zum Tag der älteren Menschen am 1. Oktober stellen sich Fragen wie: Sind hochbetagte fitte Senioren bald völlig normal? Und was heißt “alt” heute überhaupt?

“Es ist eine neue Situation und Dimension”, beschreibt Adelheid Kuhlmey, Alterforscherin an der Berliner Charité. “Es verschiebt sich sehr viel. Die mittlere Generation rutscht in eine Sandwich-Position – zwischen ihre meist erwachsenen Kinder und ihre Eltern.” Das könne ein Gewinn sein, ergänzt die Medizinsoziologin. “Weil die Vergangenheit in Familien präsenter bleibt und wir damit einen viel größeren Erfahrungsschatz haben.”

Die Veränderung von der demografischen Pyramide zum Pilz kann aber auch wie eine Bedrohung wirken. “Für die pflegerische Versorgung laufen wir auf eine Katastrophe zu”, prognostiziert Kuhlmey. Zumindest, wenn sich nicht grundlegend etwas ändere, angefangen beim öffentlichen Bewusstsein: “Wir sind zu wenig trainiert, die nachberufliche Phase zu gestalten. Dabei ist sie zu einer der längsten in unserem Leben geworden.”

Sind Frauen wie “Turn-Oma” Johanna Quaas die Zukunft? Kuhlmey schüttelt den Kopf: “Das ist eine absolute Ausnahme mit super genetischen Anlagen”, urteilt sie. Mit 85 beginne im Schnitt die Phase der Hochaltrigkeit mit Gesundheitseinbußen. “Das kann weiterhin ein erfüllendes Leben sein, aber es ist nicht mehr das Leben mit 70.”

Dass Alter so schwer fassbar ist, macht die Sache kompliziert – politisch, ökonomisch und persönlich. Bereits unter 70-Jährigen gibt es Menschen, die biologisch zehn Jahre älter sind. Andere sind nach diesem Maßstab zehn Jahre jünger. “Diese breite Spanne haben wir in keiner anderen Generation”, sagt Kuhlmey. Das mache es auch so schwer, das Pensionsalter festzusetzen: “Am besten wäre es, wenn wir individuell nach Leistungsfähigkeit in Pension gingen”, empfiehlt Kuhlmey. Und die Forscherin resümiert: “Wir verdrängen das Hochalter immer noch zu sehr.”

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