Bild: Thomas Ramstorfer (ORF)
WIEN. Im erst zweiten Aufeinandertreffen aller fünf Spitzenkandidaten wurde primär die eigene Klientel bedient.
Vier von fünf Wahlberechtigten haben in der jüngsten OÖN-Umfrage zur Nationalratswahl angegeben, sich „stark“ oder „sehr stark“ für den am Sonntag stattfindenden Urnengang zu interessieren. Zwei Tage vor dem Wahltag gilt etwa jeder zehnte Wahlberechtigte noch als unentschlossen. Für die Parteien und ihre Spitzenkandidaten geht es daher ums Mobilisieren bis zuletzt. Im ORF fand am Donnerstag die letzte Elefantenrunde vor der Wahl mit den fünf Spitzenkandidaten der im Parlament vertretenen Parteien statt.
Bild: JOE KLAMAR (AFP)
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Bild: JOE KLAMAR (AFP)
Die vielen Diskussionen in den verschiedensten TV-Sendern sollen Kernwähler in ihrer Zustimmung bestärken. Der Marathon in den Fernsehstudios fand heute sein Ende, ein Höhepunkt war die Diskussion nicht.
Die fünf Spitzenkandidaten der im Parlament vertretenen Parteien trafen erst zum zweiten Mal in der großen Runde aufeinander: Zum ersten Mal zu Beginn der heißen Wahlkampfphase auf Einladung der OÖN und der anderen Bundesländerzeitungen Salzburger Nachrichten, Kleine Zeitung, Tiroler Tageszeitung, Vorarlberger Nachrichten sowie der Presse – und zum zweiten Mal heute Abend im ORF.
Vor der Elefantenrunde auf Puls 24 schmollte FP-Chef Herbert Kickl nach einer nicht gefälligen Berichterstattung und nahm an der Debatte nicht teil. Die Diskussion auf Servus TV war zum Höhepunkt des Hochwassers angesetzt, VP-Kanzler Karl Nehammer sagte als Erster ab, dann folgten weitere Absagen von Andreas Babler (SP) und Herbert Kickl (FP).
Zu Beginn stand die Wirtschaft, Steuern und das Milliarden-Defizit im Mittelpunkt. Cent, Prozent und eingesparte oder falsch ausgegebene Milliarden wurden hin und her geworfen, der Erkenntnisgewinn war gering.
Wer den zahlreichen TV-Duellen und anderen Diskussionen gefolgt ist, hörte auch in der Folge ausschließlich bekannte Positionen. Kanzler Karl Nehammer (VP) nutzte die Gelegenheit, die aufgestockten Hochwasserhilfen darzustellen und die große Hilfsbereitschaft für die Betroffenen zu würdigen. SP-Spitzenkandidat Andreas Babler bediente mit seinen Ansagen zu Markt (der regle nicht alles) und Vermögenssteuern die eigene Klientel.
FP-Chef Herbert Kickl war weniger untergriffig als bei einigen Duellen zuvor und verwies beim Kapitel Migration auf seine Arbeit als Innenminister. Er kanzelte Nehammer als Manager ab, der ein Unternehmen in eine Abwärtsbewegung gebracht hätte. Nehammer schüttelte bei Kickls (und Bablers) Aussagen mehrmals den Kopf und sprach den Blauen-Chef direkt an, um ihm Versäumnisse in der Zeit als Innenminister vorzuwerfen. Nur einmal pflichtete Nehammer Kickl bei, nämlich, dass es für Klimaschutzmaßnahmen längere Fristen brauche.
Grünen-Chef Werner Kogler nahm sich von Beginn an viel Redezeit und hielt sich nicht immer an die vorgegebenen Themen. Beim Stichwort Bodenversiegelung verwies er etwa auf die Valorisierung der Sozialleistungen.
Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger überraschte mit einem Dank an ihre Konkurrenten: Es sei ein anständiger Wahlkampf und keine Schlammschlacht gewesen. Sie verwies darauf, dass alle ihre Chance zur Budgetsanierung gehabt hätten und betonte den umfassenden Reformbedarf.
Der spannendste Punkt, wer mit wem kann, kam erst nach 22 Uhr zur Sprache.
Angesprochen wurde Karl Nehammer, der immer auf die konstruktive Kräfte in der FPÖ verweise. Er betonte, er könne nicht mit Herbert Kickl, der Verschwörungstheorie nachhänge und sich radikalisiert habe. Mit wem er guten “und netten” Austausch in der FP habe, sagte er auf Nachfrage nicht.
Kickl konterte, viel schlimmer als diese Unterstellungen sei, dass sich die Regierung gegen die Bevölkerung und den Wählerwillen verschworen habe. Der Stärkste solle den Regierungsauftrag erhalten, verlangte Kickl eine Zusage der anderen. Mit Nehammer bekomme man eine Österreich-Variante einer Ampel. Inhaltliche Überschneidungen gäbe es mit der ÖVP. Gefragt, ob er als Zweiter zur Seite trete und Klubobmann oder Nationalratspräsident werde, damit eine Koalition mit der ÖVP möglich mache, wich Kickl aus.
Mit den Grünen wolle Nehammer auch nicht, mit wem könne er? Auch dieser Frage wich der aktuelle Kanzler aus.
Können Sie beide miteinander, so die Anschlussfrage an Babler und Nehammer? Babler holte aus und sprach bisher heute ungesagte Schlagworte an – von Frauenrechte bis Kinderarmut. Nehammer sagte dazu gar nichts.
Die Neos-Chefin wurde gefragt, ob sie mit ÖVP und SPÖ könne, obwohl sie diese so heftig kritisierte? Sie antwortete, dass sie erwarte ÖVP und FPÖ würden ihre frühere Koalition wieder aufleben lassen, sobald sich die Gelegenheit biete. Auch den bleiernen Stillstand einer VP-SP-Koalition lehnte sie ab. Sie bewarb sich einmal mehr als Reformkraft in einer nächsten Regierung.
Grünen-Chef Werner Kogler sagte, die umstrittene Leonore Gewessler werde Teil des Teams sein. Auch er nutzte diese Passage für eine Wahlwerbung.
Fazit: Wer per Wahlkarte bereits gewählt hat, wird sich nicht ärgern, dass er oder sie ein falsches Kreuzerl gesetzt habe, weil einer der Kandidaten oder die Kandidatin so positiv überrascht hätte. Es wurden länger als zwei Stunden bekannte Positionen wiederholt, mit wenig Diskussion zwischen den Kandidaten, ohne große Untergriffe, ohne neue Erkenntnisse.
Autorin
Sigrid Brandstätter
Ressortleiterin Landes- und Innenpolitik
Sigrid Brandstätter