Israel schwächt im Libanon und im Gazastreifen die Verbündeten des Iran. Der antwortet jetzt überraschend deutlich.
Kurz bevor sich das Massaker der Hamas zum ersten Mal jährt, kämpft Israel nicht nur im Süden, sondern auch im Norden heftig wie lange nicht gegen seine Feinde. Die ebenfalls vom Iran unterstützte Hisbollah im Libanon möchte Israel von der Landkarte tilgen. Regelmäßige Raketenangriffe zeugen von diesem Willen. Seit dem 7. Oktober waren sie so heftig, dass 60.000 Menschen ihre Häuser im Norden Israels verlassen mussten. Die Regierung von Benjamin Netanjahu konnte nicht anders, als darauf zu reagieren.
Die Frage, ob der Iran das seinerseits mit einem Angriff quittieren könnte, ist seit Dienstagabend beantwortet. Teheran feuerte über 180 Raketen auf Israel ab. Experten hatten die Chancen auf eine solche direkte militärische Einmischung bis zuletzt als gering eingeschätzt. Entscheide der Iran vernünftig, so die Annahme, müsse er von einem Schlag gegen Israel absehen. Denn die Vergeltung dafür würde Teheran viel schwerer treffen. Aber die Vernunft reagiert offensichtlich nicht in Teheran. Die Schmach, die der Verbündete im Libanon seit Wochen erleidet, musste getilgt werden.
Israel traf die Hisbollah zuletzt massiv. Nach direkten Attacken auf Mitglieder der Miliz über deren Pager und nach schweren Luftangriffen, bei denen Hisbollah-Anführer Hassan Nasrallah getötet wurde, marschierten israelische Soldaten in der Nacht auf Dienstag im Südlibanon ein. Die Angriffe sind wie im Gazastreifen schwierig, denn die Terroristen mischen sich da wie dort unter Zivilisten. Im bitterarmen Libanon, der ohnehin kurz vor dem Kollaps steht, sind nun Hunderttausende auf der Flucht.
Aber es sind nicht diese Zivilisten, die den Iran letztlich zum Handeln brachten. Der Angriff sei eine Vergeltung für die Tötung von Hassan Nasrallah und dem Auslandschef der Hamas, Ismail Hanija, hieß es aus Teheran. Den Befehl zum Raketenabschuss soll das geistliche und weltliche Oberhaupt des Landes gegeben haben, Ayatollah Ali Khamenei.
Der Iran lässt seiner scharfen Rhetorik nicht mehr nur Geld, Waffen und logistische Unterstützung an Hisbollah, Hamas und die Huthi im Jemen folgen. Seit Dienstag sind der Liste wieder Raketen auf Israel hinzuzufügen. Das wird nicht ohne Folgen bleiben.
Khamenei soll nach dem Angriff an einen sicheren Ort gebracht worden sein. Der Iran ist sich also bewusst: Die Kette von Schlag und Gegenschlag ist ausgelöst. Israel und Iran versichern sich gegenseitig, sie hätten noch mehr Angriffspotenzial. Mögen sie es nicht ausschöpfen.