Berlin – In kaum einer Berliner Behörde funktioniert die Bürgerbeteiligung so gut wie beim „Amt für regionalisierte Ordnungsaufgaben“ (RegOrg). Hier melden die Berliner das, was sie besonders ärgert: Autowracks. In diesem Jahr knackt die Anzahl der Beschwerden erstmals die 30 000er-Grenze! Ein trauriger Rekord.
30 Mitarbeiter hat Amtsleiter Steffen Krefft (56), darunter sieben im Außendienst. Von Lichtenberg aus kümmern sie sich darum, dass Berlin nicht zum Schrottplatz wird. „Doch die Anzahl der Abfallautos steigt“, so Krefft zu BILD.
Beispiel Sven-Hedin-Straße in Zehlendorf. Seit Oktober 2023 (!) verfällt hier ein Peugeot 206 am Straßenrand. Kennzeichen weg, Karosserie verbeult. Nachdem die Scheiben eingeschlagen wurden, wird der Wagen auch als Leergut- und Mülltonne genutzt. Wein- und Bierflaschen, alte Kleidung, Verpackungsmüll, Essensreste.
Schon vor Monaten war von einem Außendienstmitarbeiter ein gelber, kreisrunder Aufkleber auf die da noch intakte Frontscheibe geklebt worden. „Aufforderung zur Beseitigung dieses Fahrzeugs“, steht darauf. Außerdem der Hinweis, dass es sich um eine Ordnungswidrigkeit handelt, wenn ein Fahrzeug ohne gültige Kennzeichen auf öffentlichem Straßenland steht. Bußgeld: bis zu 10 000 Euro.
„Hier hatten wir einen polnischen Halter ermittelt, der angab, den Wagen verkauft zu haben“, sagt Krefft. Weil der Peugeot dann plötzlich verschwunden gewesen sein soll, wurde der Vorgang eingestellt. „Doch dann gingen hier wieder Meldungen zu dem Wagen ein. Jetzt haben wir dem polnischen Unternehmen eine Aufforderung zur Beseitigung geschickt.“
Da sich das Amt an alle Vorschriften und Fristen halten muss, der Peugeot bislang nicht als Vollschrott gilt, darf er nicht sofort abtransportiert werden. Prognose von Amtsleiter Krefft: „Noch drei Monate, dann dürfen wir das Abfallauto beseitigen.“
In der Schrottpresse landen immer mehr Fahrzeuge. Von Jahr zu Jahr steigen die Zahlen, innerhalb von sieben Jahren um rund 800 Prozent! Krefft: „Bleibt es bei dieser Entwicklung, werden wir in diesem Jahr erstmals mehr als 2000 Abfallautos beseitigen.“
So viele waren es in den vergangenen Jahren:
► 2016: 193
► 2017: 287
► 2018: 956
► 2019: 1212
► 2020: 1380
► 2021: 1833
► 2022: 1767
► 2023: 1641
► 2024: 1416 (Stand 31.08.2024)
Insgesamt stehen jedoch pro Jahr rund 8000 Autos in unterschiedlichsten Verfallsstadien an Straßen herum. Nach Unfällen, Schäden, etc. Manche Halter räumen ihr Fahrzeug weg, bevor das Amt einschreiten muss, die Mehrheit allerdings muss aufwendig ermittelt und angeschrieben werden.
Die skurrilsten Schrottauto-Fälle
Krefft: „Wir hatten ein Wohnmobil, das kurz zuvor in Bayern gekauft worden war. Auf dem Tacho waren nur exakt die Kilometer bis Berlin. Der Halter hat es abgestellt und verschwand. In der Auktion brachte das Wohnmobil 50 000 Euro.“
Tragisch die Geschichte um einen Geländewagen, der abgeschleppt und auf dem Parkplatz der Behörde zwischengelagert wurde. „Die Scheiben waren dunkel abgeklebt, die Türen mit Seilen verschlossen“, so Krefft. Als der Wagen Wochen später vor der Versteigerung geöffnet wurde, entdeckte man den Besitzer tot auf dem Rücksitz. „Seine Frau hatte sich von ihm getrennt, er lebte in dem Wagen, hatte Drogen genommen.“
Meistens kümmern sich Krefft und sein Team jedoch um alltägliche Schrott-Ärgernisse. Beispiel Dünther Straße in Steglitz. Auch hier beklagen sich Anwohner seit fast einem halben Jahr über ein Wrack. „Das Auto in der Dünther Straße befindet sich nicht auf öffentlichem Straßenland“, teilt das Bezirksamt auf BILD-Anfrage mit.
Kreffts Amt hatte den Mercedes A-Klasse Wagen zwar von Anfang an auf dem Schirm, durfte aber nicht tätig werden: „Da darf zwar jeder durchgehen, doch es ist ein Privatgrundstück. Und am Anfang war der Wagen intakt.“ Mittlerweile ist das Auto mit Graffiti beschmiert, die Reifen sind zerstochen.
Die neusten Nachforschungen ergaben: Besitzer unbekannt verzogen, deutschlandweit nicht ermittelbar. Deshalb geht es jetzt schnell. „Wir entsorgen den Mercedes in den kommenden Tagen“, sagt der Amtsleiter. Falls der Fahrzeughalter wieder in den Computern auftaucht, kann er sich auf ein Bußgeld gefasst machen – drei Jahre Verjährungsfrist.
Auch wenn Krefft und sein Team in diesem Jahr bis Mitte September schon 1,14 Millionen Euro Bußgelder eingenommen, Autos für 870 000 Euro versteigert haben – um die Kosten für das Amt für regionalisierte Aufgaben zu decken, reicht es nicht.